Der Apfelschalenmann - Jahre einer Jugendgangbewegung
heute möchte ich ein eher dunkles-kapitel in meinem leben anschneiden. ein kapitel, daß so manchen sauer bzw. bittersüß auftoßen könnte. es könnte freundschaften zum erlöschen bringen, karawanen könnten stoppen und platten mit einem feinem kratz und scratch-geräusch versehen werden. aber! es muss raus. lang genug habe ich es mit mir rumgeschleppt und heute ist der richtige zeitpunkt gekommen, um ein paar dinge an die öffentlichkeit zu tragen. ich töte obst.
anders als politiker oder kokainabhängige profisportler habe ich mir lange darüber gedanken gemacht, wie ich das thema angehe und ob ich damit überhaupt an die öffentlichkeit gehe. ich habe mich für diesen schritt entschieden, um mich und meine schuldlast (ich habe ein reines gewissen und bin mit der entnahme von haarproben einverstanden) von meinen lasterbehafteten schultern zu befreien, und mit diesem tabuthema endlich öffentlich die allgemeine problematik anzusprechen.
täglich sterben über 1,950.000.456.197 bruttoregistertonnen äpfel und kiwis.
alles fing im kindergarten an. ich kann nicht alt gewesen sein, war aber jung genug um mich damals gegen jegliche art von gewalt an obst auszusprechen. während ich an meiner wurststulle saß und diese schmatzend verspeiste, herrschte links und rechts neben mir
ein erbarmungsloser obstkrieg. ein stimmen und geschreiwirrwarr wohin man hörte. artilleriefeuer überall!
"ich werde jetzt in dich hineinbeissen"
neeeinnn!
"doch!"
neeeeinn
"doch!"
schmatz,schmatz,schmatz.
irgendwann, diagnostizierte der kindergartenarzt, daß ich an vitaminmangel leide und ordnete an, daß ich obst in massen futtern sollte. ich wurde zum sklaven einer obstgesellschaft degradiert. mir wurde mein rückrad gebrochen und so folterte man mich mit dem modernsten kriegsgerätschaften, welche
die obstwelt in den 80er jahren parat hielt. äpfel zum beispiel. ich hasste äpfel. am meisten hasste ich die schale an äpfeln. einmal wurde ich erwischt, wie ich von einem apfel abbiss und die schale die ganze zeit in den müllereimer gespuckt habe, einfach weil ich es konnte, nein, weil ich die schale hasste.
ein anderes mal hatte ich einfach keinen hunger auf
apfel und versenkte diesen auch umgehend im heimischen klo, was ein riesen trala auslöste, da der klempner sich nicht erklären konnte, woher die verstopfung rührte. bis heute schaue ich gerne auf die improvisierten kachelwände unter der badewanne, im badezimmer meiner eltern. die frage, ob mein bruder
oder ich wüsste, woher die verstopfung kommt oder ob wir was damit zu tun haben, verneinte ich überzeugend selbstbewusst.
ich wusste da aber eins, so kann es nicht weitergehen. da ich mich einem immer größer werdenden druck dieser obstjunkies ausgesetzt gefühlt hatte, spielte das schicksal nicht nur katz und maus mit mir, sondern war mir diesmal meines eigenen glückes schmied. oder so. während einer pause im kindergarten stand ich gelangweilt am zaun, als mich ein mexikaner namens pepe von der seite ansprach und mich fragte, ob ich nicht lust hätte, mir leicht und locker ein paar lollies dazu zu verdienen. er erzählte mir von seinen kumpels, daß sie den einen oder anderen kinderverkaufsladen bereits hoch genommen hatten und das sie sich die "companeros" nannten. das klang nicht nur professionell sondern auch ziemlich cool.
er führte mich wenig später in ein geheimes baumhaus, wo die anderen schon warteten. die "anderen" waren alechandro, sancho, rogelio und wie sie alle hiessen. es dauerte nicht lang und ich war in der gruppe akzeptiert und wurde aufgenommen. ich war ab sofort einer von ihnen. und wir teilten unseren hass zu allen erdenklich obstsorten. es sollte der anfang vom ende sein.
unsere freizeitbeschäftigung bestand darin, sämtliche läden dieser stadt um ihr hab und gut in form von naschen zu erleichtern. wir hatten einen einfachen sowie simplen trick. wir schickten den kleinsten, also sancho vor, der die ladenbesitzer mit einer mitleidsmasche ablenken sollte, während wir uns um den wichtigen teil, die beute kümmern sollten. sobald wir die beute verpackt hatten, rammte sancho seine babywalze in die aufgebauten eierpyramiden und wir machten uns aus dem staub. wir naschten alles was nicht nied und nagelfest war. wir hatten stets einen plan b und waren immer vorbereitet während unser täglichen streifzüge durch die welt. ich merkte gar nicht, wie sehr mich das zeug abhängig machte. anfangs, kam ich mit ein paar schnullern aus, aber das pensum und die nascheinheiten musste ich stets erhöhen und mein immer wiederkehrendes verlangen nach süssigkeiten zu befriedigen.
ich weiß noch genau, wie ich sie kennenlernte. nach einer unserer beutezüge machten wir es uns auf einem spielplatz in der nähe des wassers gemütlich und gönnten uns ein paar süßigkeiten. auf einer schaukel, sah ich dann die wohl schönste lady dieses planeten. sie schaukelte anmutig, mit einer braunen latzhose und coolen sneakern bekleidet im einklang des windtaktes. alles war wie in zeitlupe. ziemlich schnell bekam ich heraus, daß sie kindersport betreibt, da ihre eltern das so wollten. jeden dienstag wartete ich bis 14 uhr an der turnhalle, nur um sie zu sehen. das blieb natürlich nicht unbemerkt. eines tages traf ich sie wieder mit ein paar freunden am spielplatz. ich lud sie auf ein paar salinos ein und wenig später waren wir ein paar. sie hiess ginger, war begeisterte sandkastenkuchenverkäuferin und machte grad den kindergartenabschluß nach. von nun an machten wir alles gemeinsam.
die tage zogen ins land und wir merkten immer mehr, daß die polizei uns auf den fersen war. aber wir waren immer einen schritt schneller. die zeit rannte so schnell, daß wir gar nicht merkten, was sie mit uns machte. von einem auf den anderen tag packten sie pepe, als er grad nach hause kam und seine mutter ihn mit einem großaufgebot von bullen zu hause erwartete. wir hofften, daß er dicht hielt und beschlossen, unsere aktivitäten erst einmal auf eis zu legen. es war die zeit, als sie alle größeren gruppen hochnahmen. erst packten sie die "gringos". dann die "woodies" und zum schluß sogar die "joker". auch die ladenbesitzer rüsteten auf und installierten überwachungskameras, laserlightsysteme und zu guter letzt klingeltüren, anhand dessen klingeln der ladenbesitzer hören konnte, wenn ein kunde in den laden kam. diese schweine die.
ich erinnere mich genau. es war ein warmer dienstag vormittag. ich saß mit ginger in unserem stammkarussel am spielplatz nahe des doms. wir liessen es uns bei etwas milchschokolade und gummimonden gut gehen. man waren wir drauf. dann ging alles ziemlich schnell. ehe ich merkte, was eigentlich los ist war der ganze spuck vorbei und ich saß mit handschellen im streifenwagen. mein gott, ich war sechs und mein leben war ruiniert. ich war völlig auf naschen und meine aussichten, irgendwann ein geregeltes leben führen zu können tendierten gen null. sie gaben mir 12 jahre, weil der richter meinte, ich sei eine art mitläufer gewesen. er hatte ja keine ahnung. ginger hingegen bekam eine freiheits und geldstrafe aufgebrummt. sie musste mit alten und jungen leuten frauentausch gucken. ein ganzes soziales jahr lang. anfangs besuchte sie mich jeden tag. zusammen mit unserem gemeinsamen stofftier gonzo.
dann aber wurden die abstände immer größer, bis sie irgendwann gar nicht mehr auftauchte. das war eine ziemlich harte zeit und ich kam nur schwer mit dem gedanken klar das gonzo mich nach all den jahren gar nicht mehr erkennen wird, sobald ich aus dem knast raus bin. so komisch es klingt, aber der knast hat mir die augen geöffnet. nachdem ich einen kalten naschentzug hinter mich gebracht hatte, fingen sie langsam an, mir gemüse vor die nase zu setzen. anfangs war es ziemlich heftig für mich. möhren und dieses ganze grünzeug. aber ich habe viel darüber gelesen und mit der zeit gewöhnt man sich daran. jahre später sollte ich das erste mal einen ganzen apfel, mit schale essen. und so seltsam es schmeckte, es war gut. heute mag ich sogar apfelkuchen.
epilog:
rogelio soll es zurück nach mexico verschlagen haben. er arbeitet dort auf einer bananenplantage und soll ziemlich auf banane sein.
pepe arbeitet heute bei einer fastfoodkette als stellvertretender restaurantleiter in hamburg stellingen. noch heute sieht man ihn seine vergangenheit an.
alechandro hat nach seiner ausbildung als kfz-mechaniker noch einmal studiert und bringt kleinen kindern in bolivien lesen und schreiben bei.
sancho hat einen franchisebagelladen eröffnet und ist damit pleite gegangen. nach einem insolvenzjahr in england hat es ihn mittlerweile wieder nach deutschland gelockt. heute verdient er als caterer kleine brötchen und beliefert unter anderem einen handballverein in der zweiten handball-bundesliga.
ginger ist bis heute verschollen. gerüchten zufolge soll sie mit ihren eltern ins ruhrgebiet gezogen sein. auch von gonzo fehlt bis heute jedes lebenszeichen.
anders als politiker oder kokainabhängige profisportler habe ich mir lange darüber gedanken gemacht, wie ich das thema angehe und ob ich damit überhaupt an die öffentlichkeit gehe. ich habe mich für diesen schritt entschieden, um mich und meine schuldlast (ich habe ein reines gewissen und bin mit der entnahme von haarproben einverstanden) von meinen lasterbehafteten schultern zu befreien, und mit diesem tabuthema endlich öffentlich die allgemeine problematik anzusprechen.
täglich sterben über 1,950.000.456.197 bruttoregistertonnen äpfel und kiwis.
alles fing im kindergarten an. ich kann nicht alt gewesen sein, war aber jung genug um mich damals gegen jegliche art von gewalt an obst auszusprechen. während ich an meiner wurststulle saß und diese schmatzend verspeiste, herrschte links und rechts neben mir
ein erbarmungsloser obstkrieg. ein stimmen und geschreiwirrwarr wohin man hörte. artilleriefeuer überall!
"ich werde jetzt in dich hineinbeissen"
neeeinnn!
"doch!"
neeeeinn
"doch!"
schmatz,schmatz,schmatz.
irgendwann, diagnostizierte der kindergartenarzt, daß ich an vitaminmangel leide und ordnete an, daß ich obst in massen futtern sollte. ich wurde zum sklaven einer obstgesellschaft degradiert. mir wurde mein rückrad gebrochen und so folterte man mich mit dem modernsten kriegsgerätschaften, welche
die obstwelt in den 80er jahren parat hielt. äpfel zum beispiel. ich hasste äpfel. am meisten hasste ich die schale an äpfeln. einmal wurde ich erwischt, wie ich von einem apfel abbiss und die schale die ganze zeit in den müllereimer gespuckt habe, einfach weil ich es konnte, nein, weil ich die schale hasste.
ein anderes mal hatte ich einfach keinen hunger auf
apfel und versenkte diesen auch umgehend im heimischen klo, was ein riesen trala auslöste, da der klempner sich nicht erklären konnte, woher die verstopfung rührte. bis heute schaue ich gerne auf die improvisierten kachelwände unter der badewanne, im badezimmer meiner eltern. die frage, ob mein bruder
oder ich wüsste, woher die verstopfung kommt oder ob wir was damit zu tun haben, verneinte ich überzeugend selbstbewusst.
ich wusste da aber eins, so kann es nicht weitergehen. da ich mich einem immer größer werdenden druck dieser obstjunkies ausgesetzt gefühlt hatte, spielte das schicksal nicht nur katz und maus mit mir, sondern war mir diesmal meines eigenen glückes schmied. oder so. während einer pause im kindergarten stand ich gelangweilt am zaun, als mich ein mexikaner namens pepe von der seite ansprach und mich fragte, ob ich nicht lust hätte, mir leicht und locker ein paar lollies dazu zu verdienen. er erzählte mir von seinen kumpels, daß sie den einen oder anderen kinderverkaufsladen bereits hoch genommen hatten und das sie sich die "companeros" nannten. das klang nicht nur professionell sondern auch ziemlich cool.
er führte mich wenig später in ein geheimes baumhaus, wo die anderen schon warteten. die "anderen" waren alechandro, sancho, rogelio und wie sie alle hiessen. es dauerte nicht lang und ich war in der gruppe akzeptiert und wurde aufgenommen. ich war ab sofort einer von ihnen. und wir teilten unseren hass zu allen erdenklich obstsorten. es sollte der anfang vom ende sein.
unsere freizeitbeschäftigung bestand darin, sämtliche läden dieser stadt um ihr hab und gut in form von naschen zu erleichtern. wir hatten einen einfachen sowie simplen trick. wir schickten den kleinsten, also sancho vor, der die ladenbesitzer mit einer mitleidsmasche ablenken sollte, während wir uns um den wichtigen teil, die beute kümmern sollten. sobald wir die beute verpackt hatten, rammte sancho seine babywalze in die aufgebauten eierpyramiden und wir machten uns aus dem staub. wir naschten alles was nicht nied und nagelfest war. wir hatten stets einen plan b und waren immer vorbereitet während unser täglichen streifzüge durch die welt. ich merkte gar nicht, wie sehr mich das zeug abhängig machte. anfangs, kam ich mit ein paar schnullern aus, aber das pensum und die nascheinheiten musste ich stets erhöhen und mein immer wiederkehrendes verlangen nach süssigkeiten zu befriedigen.
ich weiß noch genau, wie ich sie kennenlernte. nach einer unserer beutezüge machten wir es uns auf einem spielplatz in der nähe des wassers gemütlich und gönnten uns ein paar süßigkeiten. auf einer schaukel, sah ich dann die wohl schönste lady dieses planeten. sie schaukelte anmutig, mit einer braunen latzhose und coolen sneakern bekleidet im einklang des windtaktes. alles war wie in zeitlupe. ziemlich schnell bekam ich heraus, daß sie kindersport betreibt, da ihre eltern das so wollten. jeden dienstag wartete ich bis 14 uhr an der turnhalle, nur um sie zu sehen. das blieb natürlich nicht unbemerkt. eines tages traf ich sie wieder mit ein paar freunden am spielplatz. ich lud sie auf ein paar salinos ein und wenig später waren wir ein paar. sie hiess ginger, war begeisterte sandkastenkuchenverkäuferin und machte grad den kindergartenabschluß nach. von nun an machten wir alles gemeinsam.
die tage zogen ins land und wir merkten immer mehr, daß die polizei uns auf den fersen war. aber wir waren immer einen schritt schneller. die zeit rannte so schnell, daß wir gar nicht merkten, was sie mit uns machte. von einem auf den anderen tag packten sie pepe, als er grad nach hause kam und seine mutter ihn mit einem großaufgebot von bullen zu hause erwartete. wir hofften, daß er dicht hielt und beschlossen, unsere aktivitäten erst einmal auf eis zu legen. es war die zeit, als sie alle größeren gruppen hochnahmen. erst packten sie die "gringos". dann die "woodies" und zum schluß sogar die "joker". auch die ladenbesitzer rüsteten auf und installierten überwachungskameras, laserlightsysteme und zu guter letzt klingeltüren, anhand dessen klingeln der ladenbesitzer hören konnte, wenn ein kunde in den laden kam. diese schweine die.
ich erinnere mich genau. es war ein warmer dienstag vormittag. ich saß mit ginger in unserem stammkarussel am spielplatz nahe des doms. wir liessen es uns bei etwas milchschokolade und gummimonden gut gehen. man waren wir drauf. dann ging alles ziemlich schnell. ehe ich merkte, was eigentlich los ist war der ganze spuck vorbei und ich saß mit handschellen im streifenwagen. mein gott, ich war sechs und mein leben war ruiniert. ich war völlig auf naschen und meine aussichten, irgendwann ein geregeltes leben führen zu können tendierten gen null. sie gaben mir 12 jahre, weil der richter meinte, ich sei eine art mitläufer gewesen. er hatte ja keine ahnung. ginger hingegen bekam eine freiheits und geldstrafe aufgebrummt. sie musste mit alten und jungen leuten frauentausch gucken. ein ganzes soziales jahr lang. anfangs besuchte sie mich jeden tag. zusammen mit unserem gemeinsamen stofftier gonzo.
dann aber wurden die abstände immer größer, bis sie irgendwann gar nicht mehr auftauchte. das war eine ziemlich harte zeit und ich kam nur schwer mit dem gedanken klar das gonzo mich nach all den jahren gar nicht mehr erkennen wird, sobald ich aus dem knast raus bin. so komisch es klingt, aber der knast hat mir die augen geöffnet. nachdem ich einen kalten naschentzug hinter mich gebracht hatte, fingen sie langsam an, mir gemüse vor die nase zu setzen. anfangs war es ziemlich heftig für mich. möhren und dieses ganze grünzeug. aber ich habe viel darüber gelesen und mit der zeit gewöhnt man sich daran. jahre später sollte ich das erste mal einen ganzen apfel, mit schale essen. und so seltsam es schmeckte, es war gut. heute mag ich sogar apfelkuchen.
epilog:
rogelio soll es zurück nach mexico verschlagen haben. er arbeitet dort auf einer bananenplantage und soll ziemlich auf banane sein.
pepe arbeitet heute bei einer fastfoodkette als stellvertretender restaurantleiter in hamburg stellingen. noch heute sieht man ihn seine vergangenheit an.
alechandro hat nach seiner ausbildung als kfz-mechaniker noch einmal studiert und bringt kleinen kindern in bolivien lesen und schreiben bei.
sancho hat einen franchisebagelladen eröffnet und ist damit pleite gegangen. nach einem insolvenzjahr in england hat es ihn mittlerweile wieder nach deutschland gelockt. heute verdient er als caterer kleine brötchen und beliefert unter anderem einen handballverein in der zweiten handball-bundesliga.
ginger ist bis heute verschollen. gerüchten zufolge soll sie mit ihren eltern ins ruhrgebiet gezogen sein. auch von gonzo fehlt bis heute jedes lebenszeichen.
einhotdoguntenamhafen - 19. Mai, 20:43